Montag, 21. November 2011

Goethe und das Christentum ...

Goethe und das Christentum -  Aus "Abermals krähte der Hahn" von K. H. Deschner, ehemaliger Theologe

"Auch im Alter verurteilte Goethe, wie in der Jugend in radikaler Weise die gesamte  Geschichte des Christentums.“ Goethe hat zwar die Zentralgedanken der Bibel tief erfasst, und das Christentum hat sein Werk beeinflusst. Er selbst aber steht völlig außerhalb jeder kirchlichen Tradition und bekennt, dass er das Kirchenchristentum als antichristlich betrachtet.
Goethe hat als Dreißig- und Vierzigjähriger wiederholt über Jesus negativ geurteilt, aber seine Meinung später nicht unbeträchtlich geändert. So sagte er noch ein Jahr vor seinem Tod, „Jesus habe an einen Gott geglaubt, dem er alle Eigenschaften beilegte, die er in sich selbst als Vollkommenheit empfand. Es war das Wesen seines eigenen schöneren Inneren, voll Güte und Liebe wie er selbst, und ganz geeignet, dass gute Menschen sich ihm vertrauensvoll hingaben und diese Idee als die süßeste Verknüpfung nach oben in sich aufnahmen". Über das kirchliche Christentum aber hat Goethe zu allen Lebzeiten gleich negativ gedacht, besonders über das katholische. Bereits auf seiner italienischen Reise, die der Überzeugung seiner Jugend von der totalen Entartung des Christentums neue Nahrung gab und bis in sein Alter hinein lebendig blieb, bezeichnete er das katholische Rom als "Babel" und "Mutter so vielen Betrugs und Irrtums". Er höhnt: "Der Papst ist für mich der beste Schauspieler Roms". Noch als Fünfundsiebzigjähriger nennt er den Katholizismus eine "durch Pfaffenwesen verunstalteten Lehre". Schiller sprach vom Katholizismus als "dem Wahn, der die ganze Welt bestach".
Dem Protestantismus gegenüber verhält sich Goethe nicht ganz so negativ, doch ist der Unterschied nicht allzu wesentlich. Schon der junge Goethe erklärte, er gehe nicht in die Kirche und zum Abendmahl, da er "dazu nicht genügend Lügner" sei. Tritt er auch später der Reformation etwas freundlicher gegenüber, ist ihm der Protestantismus doch noch im Jahre 1817 "ein verworrener Quark, der uns noch täglich lästig fällt."
Völlig unannehmbar, ja, geradezu widerlich war für Goethe das Kernstück des Kirchenglaubens, die Christologie, die Lehre von der Erbsünde und Erlösung und der Glaube an die Göttlichkeit Jesu – lauter Dogmen, die Jesus selbst nicht vertreten hat. In den Venezianischen Epigrammen schreibt Goethe: "Vieles kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge duld ich mit ruhigem Mut, wie es ein Gott mir gedeut. Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider, Viere: Rauch des Tabaks, Wanzen, Knoblauch und Kreuz". Im "Westöstlichen Divan" nennt Goethe das Tragen des Kreuzes als Schmuck eine "ganz moderne Narrheit". Noch wenige Tage vor seinem Tod, am 11. März 1832, fand Goethe im Gespräch mit Eckermann "viel Dummes in den Satzungen der Kirche" und sagte: "Sie fürchtet  nichts mehr  als die Aufklärung der unteren Masse". "Die Kirche will herrschen, und dazu muss sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und die geeignet ist, sich beherrschen zu lassen".
Es ist also nichts mit einer "verborgenen Christlichkeit" Goethes oder einer Annäherung an das Christentum "in den Jahren der Altersreife".
"Es ist die ganze Kirchengeschichte ein Mischmasch von Irrtum und Gewalt". Goethe selbst sagt wiederholt von sich, er sei ein "Heide", ein alter Heide, ein recht ausgemachter Heide, ein Nichtchrist, ein Mann, der sich fest und fester an die Gottesverehrung des Atheisten halte und in der Bibel nichts Einzigartiges sehe. Die Bibel nannte er sinngemäß ein lehrreiches Buch wie andere auch, das man kritisch lesen müsse.
Bereits im Alter von 6 Jahren begann er, wie er in „Dichtung und Wahrheit“ bekennt, an der
Existenz eines gütigen Gottes zu zweifeln. Im Jahre 1775 waren durch ein furchtbares Erd- Erdbeben in Lissabon Zehntausende Menschen ungekommen, aber Verbrecher durch das Beben entkommen. - Auf die Frage nach der Ursache des Bebens erklärte man ihm, dass es eine Strafe Gottes gewesen sei. Der junge Goethe darauf: „Aber wie kann der liebe Gott Tausende unschuldiger Menschen strafen und Verbrecher schonen!“
ALTERNATIVE HUMANISTISCHE VOLKSAUFKLÄRUNG

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