Freitag, 5. November 2010

Lob und Mühsal des Bauernstands

"Du sehr verachter Bauernstand, bist doch der beste in dem Land. Kein Mann dich gnugsam preisen kann, wenn man nur recht dich siehet an"
(Andreas Gryphius 1616 - 1634)
"Der hessische Landbote" (1834) von

G e o r g  B ü c h n e r

Friede den Hütten - Krieg den Palästen!
Im Jahre 1834 sieht es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft. Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und die Handwerker am fünften Tag und die Fürsten und Vornehmen am sechsten Tag gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: "Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht" und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt.
Das Leben der Vornehmen ist ein langer Sonntag: sie wohnen in schönen Häusern, sie tragen zierliche Kleider, sie haben feiste Gesichter und reden eine eigene Sprache, das Volk aber liegt vor ihnen wie Dünger auf dem Acker. Der Bauer geht hinter dem Pflug, der Vornehme aber geht hinter ihm und dem Pflug und treibt ihn mit dem Ochsen am Pflug. Er nimmt dem Bauern das Korn und lässt ihm die Stoppeln. Das Leben der Bauern ist ein langer Werktag. Fremde verzehren seine Äcker vor seinen Augen, sein Leib ist eine Schwiele, sein Schweiß ist das Salz auf dem Tisch des Vornehmen.
Sie haben einen Wust von Gesetzen zusammengehäuft aus willkürlichen Verordnungen aller Jahrhunderte, meist geschrieben in einer unverständlichen Sprache. Der Unsinn aller vorigen Geschlechter hat sich darin auf euch vererbt, der Druck, unter dem sie erlagen, sich auf euch fortgewälzt. Das Gesetz ist das Eigentum einer unbedeutenden Klasse von Vornehmen und Gelehrten, die sich durch ihr eigenes Machwerk die Herrschaft zuspricht. Diese Gerechtigkeit ist nur ein Mittel, euch in Ordnung zu halten, damit man euch bequemer schinde; sie spricht nach Gesetzen, die ihr nicht versteht, nach Grundsätzen, von denen ihr nichts wisst, Urteile, von denen ihr nichts begreift. Aber die meisten ihrer Diener sind der Regierung mit Haut und Haar verkauft...

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