Mittwoch, 10. November 2010

Warum Heinrich Mann für einen dritten Weg war!

In den fünfziger Jahren las ich in der Zeitschrift "Sinn und Form" einen Essay von Heinrich Mann mit dem Titel "Geist und Macht", der mir sehr gefiel, aber ich war verwundert, warum man zwar Heinrich Manns "Untertan" und "Professor Unrat" in der DDR lobte, sonst aber nicht an ihm interessiert war, obwohl aus seinem Essay hervorging, dass er ein konsequenter Demokrat war. Durch die Lektüre des Buches "Ein Leben wird besichtigt" wurde mir die Ursache klar: Heinrich Mann war ein glühender Verfechter der Demokratie, aber kein Kommunist. Demokratie verstand er als Grundlage wahrhafter humanistischer Politik. Sie sei der Wille der Mehrheit der Menschheit, zu Völkerfrieden, Freiheit im Innern, Ausgleich des Besitzes.

Er schrieb: "Deutschland befindet sich am Anfang eines langen Weges. Zu sehr wurden die Menschen durch das Kaiserreich verdorben, nur mühsam überwinden sie den Materialismus, worunter er in vulgärem Sinne das alleinige Streben nach materiellem Reichtum verstand. Die Deutschen müssten sich an den Gebrauch des Geistes gewöhnen, wozu die Geduld eines Menschenalters erforderlich sei. Doch jeder Volksstaat neige zu Selbstreinigung und humanem Fortschritt. Nach einem Ausgleich der Interessen strebend, verwirkliche die Demokratie auf Dauer die Forderung nach Gleichheit. Die Benachteiligten würden gegenüber den Reichen ihre berechtigten Forderungen nach Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum durchsetzen und mit demokratischgesetzlicher Mehrheit Volkssouveränität verwirklichen. Die Folge hiervon werde ein Ausgleich der Klassengegensätze sein. Wenn das Großkapital abgebaut und die äußerste Armut erlöst sein wird, der geistige Proletarier den seinen an das Bürgertum gefunden habe, wenn kein Bürgeredelmann, sondern der Arbeitsbürger das Zeitgemäße sein werde: Was bliebe dann noch von den Klassen? Ein breites Kleinbürgertum aus Kopf- und Handarbeitern; und das werde nicht in alle Ewigkeit um seine Gewinne streiten. Auf diese Weise würde die Demokratie weit besser für eine klassenlose Gesellschaft sorgen als der Kommunismus. Alldeutsche rechts nützten die Gewalt der Alldeutschen links als Vorwand, um diesen eine Schlappe zu verschaffen, um die unfertige sozialistische Republik frischweg zu militarisieren. Wen aber würde es wundern, wenn er eine große Kriegsfurie der imperialistischen Weltherrschaft als Führer eines Heeres gegen die bolschewistische Weltrevolution wieder sähe? Die Spießgesellen, arbeiteten nach wie vor einander in die Hände, so friedlich sie sich auch stellten. Was die Imperialisten des Kaiserreichs mit den Kommunisten in der Sowjetunion verbinde, sei ihr Hass. Das einzige Mittel, das sie kennten, sei Unterdrückung. Sie empfänden keinerlei Liebe für und kein Vertrauen zu den Menschen, weshalb sie beiderseits gegen die Demokratie arbeiteten. Die Verurteilung des Kommunismus, in deren Revolution in Russland Heinrich Mann anfangs für die Entwicklung der Menschheit noch große Hoffnungen gesetzt hatte, geschah zweifellos vor dem historischen Hintergrund der Unruhen von 1918/19. Bedenkenlos setzten die kommunistischen Parteigänger Gewalt ein, um an die Macht zu gelangen, und gaben damit den rechten Extremisten erst die Gelegenheit, ihrerseits auch zur Gewalt zu greifen. Stattdessen unternahm Heinrich Mann den Versuch eines dritten Weges: "Niemand außer einigen wenigen Nutznießern wünscht die Erhaltung des unbeschränkten Kapitalismus, niemand aber auch eine kommunistische Verallgemeinerung des Proletariats, am wenigsten die Proletarier selbst. Das Proletariat soll weder herrschen noch soll es überhaupt bestehen. Es kämpfe, um sich selbst zu überwinden, nicht um alle in sich einzubeziehen. Es werde durch Sozialwirtschaft gehoben, verbürgerlicht. Und auch der Bürger, seiner selbsthasserischen Sucht nach historischem Herrentum entbunden, werde erst wahrer Bürger. In der Mitte sollen sie einander finden und sich vermischen, die Arbeiter jeder Herkunft. Der dritte Weg zwischen unbeschränktem Kapitalismus, wie er im Kaiserreich geherrscht hat, und dem Kommunismus, wie er in der Sowjetunion entstand, sah Heinrich Mann in einer Verbindung von Demokratie als politische Verfassung. Unter Sozialwirtschaft verstand Heinrich Mann einen gesetzlich gebundenen Kapitalismus, der den Arbeitern einen gerechten Lohn garantiert und die Macht der Besitzenden beschränkt. Der (humanistische) Geist lehre den Dritten
Weg! AHA (Alternative Humanistische Aufklärung) , Quedlinburg, 1.6.2010

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